Politik mit Nebeltöpfen – Auslandseinsätze und ein ´Kompetenz-Zentrum Afrika‘

In aller Deutlichkeit: Auslandseinsätze des Österreichischen Bundesheeres sind eine wichtige, sinnvolle und weitgehend erfolgreiche Angelegenheit.

Sie sind – zusätzlich zur Hauptaufgabe der militärischen Landesverteidigung Österreichs – einer der weiteren Aufgabenbereiche die das Wehrgesetz „auch über den Bereich der militärischen Landesverteidigung hinaus“ (§ 2 WG 2001, lit. a) auflistet: An vierter Stelle, unter Punkt d) findet man im Wehrgesetz die Hilfeleistung im Ausland bei Maßnahmen der Friedenssicherung, der humanitären Hilfe und der Katastrophenhilfe sowie Such- und Rettungsdienste (Auslandseinsatz).

UN Flagge
UN Fahne (c) ÖBH

Soweit so gut, soweit so klar, möchte man meinen. Bei genauer Betrachtung – trotz der eindeutigen Formulierung des Gesetzgebers – wird de facto eine politisch unklare Interpretation und teilweise ‚vernebelte‘ Vollziehung erkennbar. Spätestens seit Ende 2003 wird mit den Empfehlungen einer größtenteils mit Berufsoffizieren besetzten Bundesheer-Reformkommission ersichtlich, dass für die heimischen Militärs die Kernaufgabe des Heeres, in einer zukünftigen Bedrohung das Land zu verteidigen und seine Bevölkerung zu schützen, nachrangigen Stellenwert erhält. Die entscheidenden Militärs redeten einer Art ‚Auslandseinsatz-Heer‘ das Wort und der ihnen schon damals gehorchende Minister (Platter), der ja bereits zum Start der BHRK 2010 öffentlich erklärt hatte, deren Vorschläge „eins zu eins“ umsetzen zu wollen, ordnete sie auch an. Streng genommen konnte er die Empfehlungen der Kommission zu diesem Zeitpunkt ja gar nicht gekannt haben. Oder doch? Wenn auch manche über Platters Fähigkeiten als Minister rätselten – dass Hellseherei dabei war, ist zu bezweifeln.

Ohne jede Änderung des gesetzlichen Auftrags durch das zuständige Parlament setzte ein Paradigmenwechsel ein. Die bestehenden Verbände des Heeres, die vier Brigaden, wurden angewiesen, sich fast ausschließlich auf jeweilige Auslandseinsätze, bzw. auf Rotationen bei diesen Einsätzen vorzubereiten.

Ein Insider der Personalvertretung im ‚Verteidigungsministerium‘ hat die damaligen „zukunftsorientierten eigenen Sichtweisen zur Lage“ wie folgt beschrieben:

1. Das Bundesheer hat sehr geringe Budgetmittel, die in Zukunft noch geringer werden;

2. Unser Hauptaugenmerk liegt auf dem Wohlergehen und der Erhaltung des eigenen Beamtenstandes mit einigen Zeitsoldaten.

3. Alle anderen Personengruppen, wie Grundwehrdiener und besonders das Milizpersonal müssen deutlich reduziert, oder gar abgeschafft werden;

4. Damit wir überhaupt unsere Existenz legitimieren, müssen wir die Auslandseinsätze vor allem im Rahmen der Verpflichtungen in der EU, und zweitens auch für die UN in den Vordergrund stellen.

Die Verfassungsbestimmungen werden praktisch nicht vollzogen

Die praktische Nicht-Vollziehung der Verfassungsbestimmungen zu einer militärischen Landesverteidigung und zum Grundsatz eines Milizsystems als Organisationsprinzip für das Bundesheer führte von da an mit falscher Gewichtung des Wehrgesetzes zur katastrophalen Situation des heutigen Bundesheeres.

Foto: BundesheerMit Mühe wird heute aus einem 23.000 Mann/Frau Beamten-Berufsheer-System (16.000 Berufsmilitärs plus 7.000 Zivilbeamte) als quasi Hauptaufgabe ein 1.100 Mann/Frau starkes Auslandselement (noch dazu mit rd. 50 % Miliz- und Reservesoldaten) aufgebracht. Das ganze System kostet fast 2 Milliarden EURO Budgetmittel pro Jahr!

Das also, soll weitgehend die eigentliche militärische Hauptaufgabe des Bundesheeres sein? Da hilft auch nicht, dass die ‚Politik‘ ein 55.000 Mann/Frau starkes Einsatzheer postuliert hat, eine Größenordnung, die durch die Nicht-Einhaltung der Verfassungsbestimmungen nicht einmal annähernd erreicht wird.

Einen Nebeltopf der besonderen Art bildete dabei die von Platters Nachfolger (Darabos) initiierte Werbekampagne für Auslandseinsätze mit Plakaten und Inseraten (‚Profis sichern den Frieden‘) denn schon damals waren mehr als die Hälfte der Auslandseinsatzsoldaten keine Berufsmilitärs (denn das hatte Darabos mit ‚Profis‘ gemeint).

Die Folgen dieser (Wehr-) ‚Politik‘: Die verpflichtenden ‚Milizübungen‘ (Truppenübungen) und somit das Grundelement des Bundesheeres nach den Grundsätzen eines Milizsystems wurden von BM Platter abgeschafft. Das Berufsheer wurde ‚eingeläutet‘ und von BM Darabos – gegen das Koalitionsabkommen – konsequenterweise gefordert. Selbst eine überwältigende Zustimmung für den Erhalt der Wehrpflicht in einer Volksbefragung, deren Ergebnis seitens der Regierenden als ein verbindlich umzusetzendes erklärt wurde, lässt die Missachtung der Aufträge des Verfassungsgesetzgebers ihre Fortsetzung finden. Damit – ohne Milizverpflichtung – ist die allgemeine Wehrpflicht weitgehend sinnlos geworden und verkommt nahezu zum Selbstzweck.

Vier Soldaten für ‚robuste Einsätze‘ in Afrika

Orientiert man sich an der veröffentlichten Meinung wird die Entsendung von vier Soldaten als gleichsam zum ‚großartigen‘ Auslandseinsatz hochstilisiert. DiePRESSE schrieb am 25. Februar 2015 auf Seite 7: „Bundesheer bereit für ‚robuste Einsätze‘ in Afrika“ und weiters: „Friedensmissionen. Minister Klug will sich verstärkt engagieren – vorerst mit vier Beratern nach Zentralafrika.“ Wir haben es damals alle richtig gelesen: Es sind ‚Sage und Schreibe‘ 4 (in Worten: vier!) Soldaten für EUMAM RCA (Military Advisory Mission in the Central African Republic), eine Mission der Europäischen Union in der Zentralafrikanischen Republik mit der Hauptstadt Bengui. Frappierend dabei: Die mediale Berichterstattung erfolgte nahezu wortgleich und unkommentiert mit den offiziellen Aussendungen des BMLVS – ein Qualitätsmerkmal heimischer Zeitungsmacher?

Keine österreichische Mission von vier Astronauten für eine Mondlandung

Man wird vergeblich erwarten, dass die Teilnahme unserer vier Soldaten in Zentralafrika (die immerhin rd. 600.000 EURO kosten soll) von den Menschen im ‚krisengeschüttelten Land‘ wirklich als ein Signal der Hoffnung empfangen wird! Dieser, an sich für die Beteiligten interessante, persönliche Einsatz, ist aber keine Angelegenheit, die man seitens des BMLVS als großartige Afrikamission verkünden müsste (es ist ja keine österreichische Mission von vier Astronauten für eine Mondlandung) und auch keine Angelegenheit, die man in prominenten Medien – noch dazu unkommentiert – bringen sollte!

Bereits vor einigen Monaten hat der Verteidigungsminister in einem Kurzvortrag an der Diplomatischen Akademie in Wien von einem ‚Kompetenzzentrum AFRIKA‘ in seinem Ministerium bzw. im Bundesheer gesprochen – freilich ohne Konkretes zu nennen. Ein Teil der Zuhörer mag da wohl Bilder von voll besetzten Lagezentren mit großen Landkarten von Afrika und vielen Computern im Kopf gehabt haben. Einige Zuhörer haben allerdings schon damals die großspurige Ankündigung mit einem Lächeln quittiert, zumal Klug auf eine Zuhörerbitte, seine Ankündigung zu konkretisieren, von einem ihm zugeschobenen Zettel herunterlesend antwortete: „Daran arbeitet gerade der Generalstab.“ Und trauriges Lächeln scheint berechtigt, wenn ein Minister, dem samt seinen Führungskräften offensichtlich Kompetenz und Mittel fehlen, daheim das zu vollziehen, was der Gesetzgeber vorschreibt, quasi die „Flucht“ ins Ausland anstrebt und die Gründung eines österreichischen Kompetenzzentrums für Afrika ankündigt. Vermutlich warten auf dessen Ergüsse wenn schon nicht ganz Europa zumindest die Franzosen, Briten, Italiener, Portugiesen und Spanier.

Für die zuständigen Politiker und für das österreichische Militär scheint es hingegen eine größere und damit öffentlichkeitsrelevante Story zu sein. Dabei wird geflissentlich übersehen, dass – trotz großer Ankündigung – aus dem derzeitigen „System Bundesheer“ nicht wesentlich mehr, als die Entsendung von vier „Experten“ erwartet werden kann.

KFOR Soldatin
KFOR Soldatin – (c) ÖBH

Grundsätzlich positiv ist zu vermerken, dass die Republik Österreich immerhin drei größere Bundesheerkontingente im Auslandseinsatz unterhält: Rund 320 Soldaten in Bosnien und Herzegowina im Rahmen der Mission der Europäischen Union (EUFOR Althea), rd. 530 Soldaten in der NATO-geführten Mission im Kosovo (KFOR), sowie rd. 170 Soldaten in der UN-Mission im Libanon (UNIFIL), jeweils in Kompanie- bis Bataillonsgröße mit Berufssoldaten und Soldaten aus dem Milizstand. Bei diesen drei Kontingenten sollte es bleiben. Aber das scheint unseren beamteten Berufsmilitärs leider nicht genug und vor allem viel zu wenig ‚robust‘ zu sein. Immer wieder ist aus ihrem Mund vom ganzen Spektrum der sogenannten ‚Petersbergaufgaben‘ zu hören – bis hin zu ‚robusten‘ Kampfeinsätzen. Die ‚battle-groups‘ der EU an denen Österreich mit kleineren Einheiten beteiligt ist, haben eine sinnvolle potenzielle Aufgabe. Auch das ist den Beamtenmilitärs zu wenig ‚militärisch‘, wobei sie an andere, gegenwärtige Einsätze denken, um – es sehr pointiert darzustellen – ein ‚bisschen Krieg‘ spielen wollen. Manche Kritiker meinen gar, dass hier einige eben ihren Beruf ausüben wollen …

Was für eine verkehrte Denkweise

In Beantwortung der Frage, was es nun mit den österreichischen territorialen Verteidigungsaufgaben auf sich habe, wird seitens führender Berufsmilitärs stets auf die gegenwärtig friedliche Lage hingewiesen. Und weil es in absehbarer Zeit keine Einsatzwahrscheinlichkeiten gäbe, sei auch keine Notwendigkeit ableitbar, dem gesetzlichen Auftrag zur Landesverteidigung bzw. der Organisation des Heeres nach den Grundsätzen eines Milizsystems nachzukommen. Warum dann ein ‚präsentes‘ Berufskader-Rahmenheer aufrecht erhalten werden soll und einem Bedarfsheer vorzuziehen sei, bedarf offensichtlich einer besonderen Logik.

Der Grundsatz ‚si vis pacem para bellum‘ scheint vergessen. Vor dem Krieg in der erweiterten Nachbarschaft werden die Augen verschlossen. Dass in anderen Ländern angesichts dieser Entwicklungen entsprechende Anstrengungen unternommen werden, die geradezu gegenläufig zu den österreichischen Bestrebungen laufen, wird einfach nicht wahrgenommen. Nach wie vor sucht man das Heil in der Abstützung auf „präsente Kräfte“, für die man nicht einmal einen Übungsalarm sich anzuordnen getraut. Hat man Angst vor der Peinlichkeit eines Offenbarungseids?

Statt den Afrika-Einsatz von vier Soldaten als wehrpolitische Großtat darzustellen, wären die Hausaufgaben zu machen und ein verfassungskonformes Heer zu organisieren. Dass dies nicht geschieht, obwohl eine Regierung angehalten wäre, bestehende Gesetze getreulich zu vollziehen, kann auch das Zünden eines Nebeltopfs und der daraus qualmende Rauch nicht verbergen.

ACL